Slawische Nacht in Leipzig

Einmal Reudnitz und zurück

ein Bericht über die 3.Slawische Nacht von Susann Nowak

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Du warst am 5.Februar 2010 nicht im Knicklicht? Empörend!
Du weißt nicht, was da los war? Unerhört!
Du hast noch nichts von der Slawischen Nacht gehört? Skandal!

Wem jetzt die Schamesröte ins Gesicht steigt, muss nicht betreten den Kopf nach unten senken, sondern unbedingt weiterlesen. Die folgenden Zeilen sollen erzählen, wie es war bei der mittlerweile 3. Slawischen Nacht und neugierig machen auf die Vierte. Denn alle Spatzen, dick eingepackt in Mütze und Schal, pfeifen es mittlerweile von den Leipziger Dächern: Slawische Nacht? Darf man auf keinen Fall verpassen! Tschilp!

Rückblick
Freitag Abend, kurz nach 19 Uhr. Das Licht der Straßenlaternen ist festgefroren. Neugierige drücken sich die kalten Nasen an den Scheiben des Café Knicklicht in der Dresdner Straße platt. Mutige stoßen die Eingangstür auf und gehen neugierig hinein in die Wärme. Die 3. Slawische Nacht kann beginnen. Alles ist möglich und auch das Gegenteil.
Der Saal füllt sich langsam. Man sieht Freunde und winkt einen Schlenker in die Luft, grüßt Bekannte, nickt Fremden zu. Polnisches, tschechisches, ukrainisches, slowakisches, deutsches… Stimmengewirr. An der Theke werden lachend Bier, Wein und Wasser bestellt. Man kommt ins Gespräch. In der Küche gibt es für leere Mägen und leere Teller Krakauer und Pieroggi. Für jeden ist was dabei.
Das Feuerwehr Blasorchester Leipzig nimmt hinter Notenständern und blau-goldenen Wimpeln Aufstellung, stimmt ein letztes Mal die goldglänzenden Instrumente. Trompete, Tuba, Saxophon. Erwartungsvolle Gesichter wenden sich auf langen Hälsen der Bühne zu. Dann schmettern die Musiker los, verwandeln Luft in Töne. Die Zuhörer wippen auf den Fußballen. Die 3. Slawische Nacht ist offiziell eröffnet.
Der Saal ist mittlerweile gut gefüllt. Jedes Mal, wenn die Tür aufgeht, schwappen Winterluft und Menschen herein. Wer hinten rausgeht, kommt vorn wieder rein. Überall lachende Gesichter, die gute Laune ist förmlich mit Händen zu greifen. Kinder tanzen durch die Menge. Niemanden stört, wenn einem der Nebenmann auf die Füße tritt. Keine Kehle bleibt trocken.
Jetzt steht der Chor SLAVIA in festlicher Tracht auf der Bühne. Die Frauen tragen traditionellen russischen Kopfschmuck, den Kokoschnik. Ihre Perlenketten funkeln auf einem Mix aus Rot, Grün und Gold. „Katjuscha“ und „Kalinka“ singen, summen alle mit. Musik funktioniert ohne Worte, braucht keine Übersetzung. Sie öffnet die Herzen und verbindet Menschen.
Zettel mit Liedertexten werden verteilt. Das Schöne ist: Jeder darf mitsingen. Kopf an Kopf stehen die Gäste und versuchen einen Blick zu erhaschen auf die Zeilen. Jeder lässt sich mitreißen vom Strom der Noten. Zig Kehlen verschmelzen zu einem Chor der Völkerfreundschaft. Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Jetzt schon Klassiker und absolutes Muss ist „Jožin z bažin“. Organisator Bartek tanzt sich auf der Bühne die Seele aus dem Leib. Das wollen wir auch beim nächsten Mal sehen! Solche Momente müssen für die Nachwelt festgehalten werden. Es wird fotografiert, gefilmt. Augen strahlen im Blitzlicht. Man prostet sich zu mit Hopfenkaltschale. Gute Laune auf Speicherkarte gebannt. Ausgewählte Bilder vom Haus- und Hoffotograf Jerzy, AKA DJ Rolnik, sind unter www.slawische-nacht.de zu sehen. Die Raucher müssen hinaus in die eisige Luft. Ganz Hartgesottene stehen in Hemdsärmeln draußen. Man trifft sich gezielt oder auch zufällig an den Aschenbechern und kann mit dem Klassiker „Hast du Feuer?“ schon mal zarte Bande knüpfen. Smirting (smoking + flirting) nennt man das heutzutage. Früher gab es die Zigarette danach. Jetzt gibt es auch die davor. Einer der Höhepunkte des Abends: Limonchiki. Der Russian-Roll geht ab wie eine Rakete zur ISS. Jetzt hält es auch den Letzten nicht mehr auf dem Stuhl. Die Stimmung hat ihren Siedepunkt erreicht. Dicht gedrängt singt, klatscht, tanzt die Menge im Takt.
Alles hat ein Ende und irgendwann, es graut schon der Morgen, wird es wieder still im Knicklicht. Die Leute torkeln nach Hause, trunken von Alkohol und Musik, gelöste, zufriedene Seufzer ausstoßend. Und alle sind sich einig: Prädikat sehr, sehr empfehlenswert. Ein sehr hoch 2 sozusagen. Die Organisatoren haben sich wieder selbst übertroffen. Nach der großartigen Resonanz auf die Premiere der Slawischen Nacht im November 2008 durfte sich die Brygada Organizacyjna leise freuen, aber nach diesem sensationellen dritten Teil des Slawischen Kultur-Chaos ist verhaltener Jubel erlaubt. Dziękuję, спасйбо, danke. Vielleicht treffen wir uns bei der nächsten Slawischen Nacht.

Susann Nowak
Februar 2010